@Flatliner-Joe:
Auch zu diesem Thema habe ich - natürlich ;-) - eine ganz eigenee Meinung, die vermutlich nicht der Mehrheitsmeinung entspricht. Und diese Meinung habe ich bereits länger, aus eigener Erfahrung, unabhängig davon, was gerade bei den EN - Baskets läuft:
Wenn - vor allem im Profibereich - eine Mannschaft oder einzelne Spieler jemanden brauchen, der sie motivieren muss, auf dem Spielfeld alles zu geben, dann sollten diese Spieler lieber aufhören mit leistungsorientiertem Sport. Wenn ein Spieler sich nicht bewußt ist, in welch priviligierter Position er sich befindet, wenn er ignoriert, dass es Sponsoren gibt, die ihm das Ganze finanzieren, wenn er sich nicht im klaren darüber ist, dass es Fans gibt, die mit dem Team leiden und jubeln, dann hilft eine Motivationsansprache des Trainers auch nicht mehr.
Natürlich sollte der Trainer insgesamt unterstützend wirken. Aber die Grundeinstellung muss beim Spieler vorhanden sein. Die Motivation eines Spielers ist in der Regel am stärksten ausgeprägt, wenn er Erfolgserlebnisse verbuchen kann. Ist wie im "wirklichen Leben". Wenn alles gut läuft auf der Arbeit und die gesteckten Ziele erreicht werden, dann fällt es weit weniger schwer, morgens aufzustehen und ins Büro zu gehen, als wenn man merkt, dass man nicht vorwärts kommt. Das ist sicher dann auch der Bereich, wo der Trainer versuchen muss, motivierend einzugreifen: erreichbare Ziele setzen, für Erfolgserlebnisse im Training sorgen, Wege aufzeigen.
Das Verhalten eines Trainers während eines Spiels hat nur bedingt Einfluss auf die Motivation. Wenn Spieler nicht bereit für ein Spiel sind, dann werden sie auch nicht motivierter, wenn man sie während des Spiels anschreit oder über den Kopf streichelt. Die Basis für Vorfreude und Begeisterung für einen Wettkampf werden im Training gelegt. Daher ist immer doppelt schwierig, am Wochenende eine gute Leistung zu bringen, wenn die Trainingswoche von Ausfällen / Verletzungen / Krankheiten gekennzeichnet ist. Nicht nur, dass dann gewisse Automatismen nicht einstudiert werden können - das Training ist dann einfach auch vom Spannungsaufbau nicht zielführend hin zum Match - und es macht nicht wirklich Freude.
Wenn in der Trainingswoche zwei Center fehlen, dann kann man Spielsituationen nicht simulieren und kann auch nicht erkennen, welcher Weg zum Erfolg führt. Theoretisch natürlich schon - aber praktisch nicht. Wie gesagt: das Maximale an positiver Motivation kann nur durch positives Training herausgekitzelt werden. Wie oft habe ich vor Spielen von Spielern den Satz gehört: "Wir müssen heute so spielen, wie am Donnerstag im Training. Das hat super funktioniert." Wenn dann aber am Donnerstag nur fünf gesunde und zwei kranke Spieler in der Halle waren, fällt dieser Aspekt weg. Dann ist es - wie oben bereits beschrieben - vor allem jeder einzelne Spieler selbst, der eine hohe Eigenmotivation entwickeln muss. Wenn die nicht kommt, dann machste als Trainer ziemlich wenig. Der Einfluß des Trainers wird an dieser Stelle von vielen Menschen völlig überschätzt.
Ich bin seit über 20 Jahren Trainer. Eine von mir betreute Mannschaft hat noch NIE gewonnen, weil ich so eine tolle Kabinenansprache gehalten habe. Die Niederlagen sind auch nicht auf eine schlechte Ansprache zurückzuführen. 90 % der Siege sind darauf zurückzuführen, dass man sich im Vorfeld gemeinsam eine gute und erfolgsversprechende Strategie erarbeit hat und die Mannschaft von sich aus heiß darauf ist, diese erfolgreich umzusetzen. Und den guten "Charakter" meiner Mannschaften habe ich auch nicht geprägt. Entweder hatten die Spieler diesen, oder sie hatten ihn nicht.
Ich gehöre zu den Menschen, die bei Trainerwechseln im Profisport immer als erstes denken, dass sich durch diese Maßnahme in erster Linie die beteilgten Spieler selber bloßgestellt haben. Es wird mir generell zu schnell auf Trainern rumgehackt. Es ist in meinen Augen falsch, den Trainern vorschnell die Verantwortung für das Verhalten der Spieler auf dem Feld zu übertragen. Schließlich sind das alles erwachsene Menschen und sie sind in erster Linie selbst für ihr Verhalten verantwortlich.
Bedauerlicherweise kann man vor einer Saison nicht in die Köpfe der Spieler hineinschauen. Manche Verhaltensmuster kristallisieren sich erst im Verlauf einer Saison heraus. Dann muss man ggf. vor der nächsten Saison reagieren.
Nichts desto trotz sollte sich jeder Trainer natürlich stets selbst hinterfragen, ob er im Umgang mit der Mannschaft, in den Spielen und im Training die richtigen Dinge getan hat. Aus dieser Verantwortung wird er nie entlassen - genau so, wie jeder Spieler auch.
Also deine Frage "Wer ist eigentlich dafür verantwortlich, eine Mannschaft auch mental zu erreichen?" mit den Worten "Der Trainer!" zu beantworten, das ist mir definitiv zu oberflächlich. Ich kenne Herrn Morzuch nicht, ich bin nie beim Training, ich habe nur ca. die Hälfte aller Spiele gesehen. Damit geht es mir vermutlich so, wie den meisten hier. Und aus diesem Wissenstand heraus kann ich nicht guten Gewissens den Trainer kritisieren.